Das ist Lary von Petra Büttner:
"Seit einigen Jahren machen wir, 2 Ehepaare, Urlaub mit unseren
Hunden, meist auf einer Berghütte in Österreich. Dieses Jahr hatten wir,
zusätzlich zu unseren eigenen 7 Hunden (vom Yorkshire bis zum Collie),
noch einen Pflegehund dabei, den 8jährigen Labrador Lary. Wir lernten
Lary im Dezember 2010 in einem serbischen Tierheim, das wir mit Spenden
und tatkräftiger Hilfe wie Zäune aufstellen etc. unterstützen, kennen.
Für uns war damals schon klar, dass dieser Hund dort raus muss, da er in
Serbien als alter, wenn auch reinrassiger Labrador keinerlei Chance auf
Vermittlung hat und so kam er im April 2011 nach Deutschland zu uns in
Pflege. Von Anfang an hat Lary uns sehr überrascht, wie gut er mit
seiner neuen Umgebung zurechtkommt und was für ein ausgesprochen lieber,
freundlicher, gutmütiger und anhänglicher Hund er trotz seiner
wahrscheinlich schwierigen Vergangenheit doch ist. Da es im Prinzip
keinen Unterschied macht, ob man nun 7 oder 8 Hunde dabei hat, durfte
"der Dicke" also mit in den Urlaub. Er stieg wie selbstverständlich
zusammen mit unserer Hündin Max auf den Rücksitz, um die knapp 6 Stunden
Fahrtzeit ohne jammern oder maulen zusammengerollt schlafend zu
verbringen. Am Urlaubsort angekommen, inspizierte er gründlich die
Gegebenheiten, die Hütte, den Hof mit Brunnen, die parkenden Autos und
natürlich die Küche, seinen Lieblingsort. In kürzester Zeit wusste er,
wo die Haustür ist, wo sein Napf steht und dass zwischen Küche und
Wohnraum eine Stufe ist. Beim ersten kleinen Erkundungsspaziergang war
ich noch sehr nervös wegen des ganzen Stacheldrahtes, der dort an den
meisten Weiden angebracht ist, aber Lary hatte in der ganzen Woche
Urlaub nur ein einziges Mal Kontakt damit und das (durch sein dickes
Fell) ohne Verletzung. Bei den größeren Spaziergängen war er sehr selten
an der Leine, meist nur, wenn uns Leute entgegen kamen. Er findet
Menschen nämlich grundsätzlich total toll, muss alle begrüßen und sie
ein Stück begleiten. Und es soll ja Leute geben, die sich fürchten, wenn
ein breit grinsender Labrador schwanzwedelnd auf sie zugetrabt kommt.
Die Wege, die wir gelaufen sind, waren oft fast zugewucherte
Trampelpfade mit Löchern, Steinen und Wurzeln, zum Teil steil bergauf
oder bergab. Mit dem Kommando "komm zu mir" lief Lary hinter mir, seine
Nase an meiner Wade (und oft mit seinen Pfoten in meinen Schuhen) oder
er ging mit "langsam laufen" recht unbekümmert voraus, oft im Triumvirat
mit den Collies Max und Mike. Im Gegensatz zu Max hat er zum Glück
keinerlei Bedürfnis, sich auch in die kleinsten Wasser- und
Schlammpfützen zu legen (das scheint ihm irgendwie nicht der Mühe wert
zu sein), aber das Schwimmen in den eiskalten Bergseen machte ihm
offensichtlich sehr großen Spaß (sein Ablegen vom Ufer erinnerte mich
stark an das Zuwasserlassen der Queen Mary - mit mächtiger Bugwelle) und
er zog seine Runden, um dann wieder zielsicher am Ufer anzulegen.
Liefen wir geschotterte Forststraßen, wo es auf der einen Seite steil
nach unten und auf der anderen steil nach oben ging, rief ich ihn und er
ging mit mir an der "nach oben"-Seite. Da er immer sehr bemüht ist,
seine Menschen nicht zu verlieren, muss man bei ihm keine Angst haben,
dass er stiften geht (das Kommando "komm" legt er leider immer noch
etwas nach seinem Kopf aus). Den Hüttenhof hat er die ganze Woche kein
einziges Mal auf eigene Faust verlassen, auch wenn die Hunde stundenlang
"ohne Aufsicht" draußen lagen. Überraschender Weise hat er auch kein
einziges Mal den Kompost geplündert. Am letzten Urlaubstag fuhren wir
mit dem Auto auf eine Bergstation in 1700 Metern Höhe und wanderten nach
einer kleinen Stärkung bis zum Gipfelkreuz, um von dort den
atemberaubenden Ausblick in die umliegenden Täler zu genießen. Auch hier
war Lary nur selten an der Leine. Auf den recht ebenen Wiesen fiel er
ab und an sogar in einen leichten Galopp und machte den Weg klar. Dabei
orientierte er sich weniger an einem besonderen Menschen oder Hund,
sondern mehr an der ganzen Gruppe und er lief schon mal als Erster voran
oder trödelte als Letzter hinterher. Diejenigen, die bis hierher
durchgehalten, werden sich fragen "ja und, Urlaub mit Hund ist doch nix
Neues". Und Sie haben Recht, das ist nichts Neues. Aber Urlaub mit einem
BLINDEN Hund war für uns schon was Neues und wir waren alle sehr
überrascht, wie gut und reibungslos das funktioniert. Nie hätte ich
gedacht, dass Lary sich so schnell auf eine neue Umgebung einstellt und
dass auch Wanderungen am Abhang entlang oder steile Berge hinauf (und
wieder hinunter) möglich sind. Alles in allem bin ich überzeugt davon,
dass er trotz seiner Blindheit sein Leben in vollen Zügen genießt.
Sicher ist er dadurch eingeschränkt und er braucht jemanden, der etwas
auf ihn aufpasst, für ihn sieht und im wahrsten Sinne des Wortes voraus
schaut. Aber er strahlt so eine Lebensfreude aus, wenn er hinter seinem
Ball herläuft (den er IMMER findet!), Waldwege erkundet, mit anderen
Hunden tobt, freudestrahlend über eine Wiese trabt und sich laut
grunzend und sehr zufrieden auf dem Boden wälzt wie jeder andere Hund
das auch tut. Am meisten schmunzeln musste ich über den Sohn der
Hüttenbesitzer, der erzählte, dass wir einen blinden Hund dabei haben,
der aber sehen kann. Auf den Einwurf seiner Mutter, dass der Hund NICHTS
sehen kann, meinte er: "Aber er läuft doch nirgendwo dagegen..?!" Ich
habe das aufgeschrieben, um anderen Leuten Mut zu machen, sich für einen
Handicap-Hund zu entscheiden. Ich kann nicht behaupten, eine große
Hundeerfahrung zu besitzen; auch wenn ich mein Leben seit über 16 Jahren
mit Hunden teile, bin ich weder Hundepsychologe, noch Hundetrainer,
sondern ein ganz normaler Hundebesitzer, der vorher noch nie einen
behinderten Hund hatte. Als Lary zusammen mit uns von Serbien nach Hause
fuhr, hatte ich große Bedenken, wie das so wird, mit einem Hund, der
zum einen ein absolut unbeschriebenes Blatt ist, was Erziehung angeht
und zum anderen nichts sehen kann. Aber Lary ist halt immer wieder für
eine Überraschung gut, er hat den Kulturschock ohne Schäden überstanden,
war von Anfang an stubenrein und genießt es, bei seinen Menschen zu
sein. Sein freundliches Labradorwesen und sein unerschütterlicher Glaube
an das Gute im Menschen machen ihn zu einem wahren Traumhund. Ein
Traumhund, der sich in kürzester Zeit so gut eingelebt hat, dass man oft
einfach vergisst, dass er auch ein Handicap-Hund ist."